Herr Dr. Franke, Sie haben über 30 Jahre Erfahrung mit den kleinsten Patienten. Was macht für Sie eine gute Kinderintensivmedizin aus?
Dr. Jörg Franke: Bei den Kleinen müssen wir menschliche Nähe und das Beziehungsgefüge zwischen Eltern und Kind mit in den Blick nehmen. Mit Intensivmedizin verbinden die meisten lebenserhaltende Apparate und Personal in Schutzkleidung. Dabei geht es um viel mehr. Eltern von intensivmedizinisch zu betreuenden Kindern sind einer enormen psychischen Belastung ausgesetzt. Es ist schwer, diesen kleinen Körper so zu sehen. Egal ob es sich um eine Frühgeburt handelt und das Kleine lediglich ein wenig unterstützt werden muss, oder ob ernsthafte Erkrankungen vorliegen.
Wie kann man sich das konkret vorstellen?
PD Dr. Markus Rauchenzauner: In unserer Abteilung haben wir ein hervorragendes Team aus Ärzten, Pflegekräften, Psychologen, Musiktherapeuten, Hebammen... Sie alle zusammen sorgen dafür, dass die Balance stimmt – für Körper und Seele.
Franke: Da geht es zum Beispiel um möglichst viel Hautkontakt. Der Säugling wird behutsam auf die nackte Brust von Mutter oder Vater gelegt –
einfach da sein miteinander, Bindung schaffen. Mir ist auch die Rolle der Pflege besonders wichtig: Die Kinderintensivpflegerinnen und -pfleger leisten einen fundamentalen Beitrag. Als Arzt sehe ich meine Aufgabe in der Kunst des Weglassens.
Ungewöhnliche Worte aus dem Mund eines Intensivmediziners – wie meinen Sie das?
Franke: Man muss so einem kleinen Körper nicht allen Prozeduren unterziehen, nur weil sie medizinisch möglich sind. Ich versuche immer, die Eltern-Kind-Einheit als ganzes wahrzunehmen und mich da so wenig wie möglich einzumischen. Wir tun, was nötig und sinnvoll ist und bieten maximale Sicherheit. Aber die Liebe zwischen Eltern und Kind können wir nicht ersetzen.
Was ändert sich mit der neuen Einheit?
Rauchenzauner: Wir haben Personal aufgestockt und wollen unsere drei Standorte in Kaufbeuren, Füssen und Buchloe noch stärker miteinander vernetzen – also auch Neugeborene mit Bedarf aus diesen Regionen mitversorgen. Ich freue mich sehr über diese Entwicklung, denn sie spricht für die exzellente Qualität der Kindermedizin am Haus. Und sie stützt unseren interdisziplinären Ansatz der guten Zusammenarbeit mit den Nachbardisziplinen, allen voran Geburtshilfe und Kardiologie.
Herr Dr. Franke, Sie haben Ihre Ausbildung am Münchner Uni-Klinikum Großhadern und am Deutschen Herzzentrum absolviert, lange als Neugeborenen-Notarzt und die letzten Jahre in Kempten und Reutte leitend in der pädiatrischen Intensivmedizin gearbeitet. Was hat Sie zur Kindermedizin gebracht?
Franke: Eine erfahrene alte Schulschwester hat während eines Medizinpraktikums zu mir als Student gesagt: „Sie können so gut mit Kindern. Gehen Sie doch in die Kindermedizin!“ Dass man auch gut mit Eltern können muss, habe ich dann erst später gemerkt. Aber Scherz beiseite: Die Arbeit mit den Kleinen macht mich immer noch jeden Tag glücklich. Eltern zu beobachten, die ihr Kleines nach oft Wochen auf Intensiv endlich mit nachhause nehmen können, das ist unbezahlbar.