Der leitende Oberarzt und Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinderkardiologie Dr. Jörg Stephanus Franke vom Klinikum Kaufbeuren (links) und der Chefarzt der Medizinischen Klinik und Kardiologe Dr. Martin Hinterseer der Klinik Füssen (rechts) betreuen und behandeln Menschen mit angeborenen Herzfehlern
Sie sind, wenn man so will, eine noch neue Art von Menschen. Und sie drohten in ein Versorgungsloch zu fallen. Die Rede ist von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern, kurz EMAH, die noch vor wenigen Jahrzehnten tragischerweise häufig jung starben. Doch die Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren mit ihrem Herzzentrum Füssen-Außerfern haben die Situation erkannt und stellen sicher, dass diese Menschen die Betreuung bekommen, die sie brauchen und wollen. Dafür sorgen sowohl der Füssener Kardiologe und Chefarzt der Medizinischen Klinik, Dr. Martin Hinterseer als auch sein Kaufbeurer Kollege, der leitende Oberarzt und Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinderkardiologie, Dr. Jörg Stephanus Franke.
"Die Patienten besprechen die ganzen Fragen, die im Laufe eines Lebens auftauchen, mit uns", berichtet Hinterseer. Denn wer als Kind einen schwerwiegenden Herzfehler hatte und operiert wurde, erfreut sich heute einer viel besseren Lebenserwartung. "Noch vor 30 Jahren haben viele nicht das Erwachsenenalter erreicht. Das hat sich dank besseren Methoden, Material, Medikamenten und der damit verbundenen Erfahrung drastisch verbessert", sagt Franke. Doch damit kommen neue Herausforderungen auf die Medizin zu. Die Patienten, deren erste Generation beinahe geschlossen bei Kinderkardiologen war, muss nun von Herzspezialisten für Erwachsene versorgt werden. Dieser Übergang gestaltet sich nicht überall leicht und Menschen drohen durch das Raster zu fallen. Das will die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie verhindern. Die Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren haben sich dank des Engagements ihrer beiden Spezialisten schon lange darauf eingestellt.
Denn viele EMAHs haben Einschränkungen und damit verbundene Fragen. Welchen Sport können sie ausüben? Können sie ins Handwerk oder sollten sie doch lieber einen Bürojob wählen? Können betroffene Frauen schwanger werden und funktioniert eine normale Entbindung bei ihnen? Das sind nur einige wenige Beispiele, die Hinterseer und Franke nennen. Sie begleiten diese Patientinnen und Patienten durch ihr gesamtes Leben. So hört Frankes Zuständigkeit bei EMAHs nie auf und Hinterseers beginnt viel früher. Die Herzfehler und deren Therapie sind so verschieden wie die Personen. Häufig trifft es beispielsweise Menschen mit Behinderungen wie Trisomie 21, also dem Down-Syndrom. Diese Vielfalt macht es nötig, auf jede und jeden individuell einzugehen.
Dazu untersuchen und beraten die beiden Ärzte einmal im Monat in Füssen maximal drei Patientinnen und Patienten aus allen Altersgruppen. "Wir haben dabei verschiedene Blickwinkel, da sich die Untersuchung bei Kindern und Erwachsenen unterschiedlich gestaltet", erläutert Hinterseer. Dabei sei es wichtig, stets genug Zeit zu haben. Die meisten EMAHs machen alle sechs Monate davon Gebrauch. Doch Franke betont, dass die Patientinnen und Patienten entscheiden, wann und wie oft sie einen Kardiologen sehen möchten: "Medizin sollte immer ein Angebot sein. Die Patienten müssen uns das Vertrauen schenken und wir müssen uns dem als Ärzte würdig erweisen."
Die beiden Ärzte der Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren betreuen und behandeln auf diese Weise rund 50 Menschen mit angeborenen Herzfehlern. Einige von ihnen, die früher noch mit großer Wahrscheinlichkeit als Kinder gestorben wären, gehen nun auf die 60 zu. Das Alter wird zwar für neue Komplikationen sorgen. "Es ist aber schön, wenn man Teil der Patientengeschichte wird", freut sich Hinterseer. Das Ziel fasst Franke noch einmal in Worte: "Normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität." Dazu bilden sich die beiden Ärzte laufend weiter, lassen sich zertifizieren und arbeiten auch mit den überregionalen EMAH-Zentren der Klinik in Großhadern, in dem Dr. Hinterseer vor seiner Zeit in Füssen tätig war, und des Deutschen Herzzentrums München zusammen. Dr. Franke dagegen war vor seiner Zeit in Kaufbeuren an der Klinik in Reutte tätig. Bereits damals arbeiteten die beiden grenzüberschreitend eng zusammen. Ein Gedanke dahinter war, dass die Versorgung für Menschen mit angeborenen Herzfehlern in einer grenzübergreifenden Urlaubsregion hervorragend sein müsse. Schließlich seien die Patienten und ihre Familien heute besser denn je informiert und suchen Reiseziele nach ihren Bedürfnissen aus. Sie brauchen Medizin, die am Puls ihres gesamten Lebens ist.