Dr. Hildegard Kees-Kautzky führt mit den Angehörigen ausführliche Gespräche, falls der hirntote Patient für eine Organspende in Frage kommt.
„Unser höchstes Ziel ist immer, dass unsere Patienten nach Möglichkeit wieder gesund werden. Dabei ist es völlig egal, ob der Patient Organspender ist oder nicht“, betont Kees-Kautzky, die als Anästhesistin im OP und auf den Intensivstationen der Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren tätig ist. „Jeder erhält mit Sicherheit die für ihn bestmögliche Therapie, die auch mit seinen etwa in einer Patientenverfügung niedergeschriebenen Wünschen übereinstimmt.“
Laut der Oberärztin wird eine Organspende ohnehin nur in Betracht gezogen, wenn zwei Faktoren zutreffen: „Die wichtigste Voraussetzung ist, dass bei dem Patienten der Hirntod festgestellt worden ist. Die zweite Voraussetzung ist eine Zustimmung des Patienten, idealerweise durch einen Organspendeausweis oder ersatzweise die Einwilligung eines nahen Angehörigen.“
Hirntod muss von zwei Fachärzten festgestellt werden
Als Hirntod wird laut Kees-Kautzky der unumkehrbare Ausfall aller Hirnfunktionen definiert. „Als Ursache wurde das Hirn entweder direkt schwer verletzt oder geschädigt etwa durch einen schweren Unfall, durch Hirnblutungen oder Infarkte“, so die Medizinerin, die am Klinikum Großhadern bereits bei vielen Transplantationen mitgewirkt hat. „Selbst wenn diese Patienten optisch nicht anders aussehen als andere beatmete Intensivpatienten, sind jegliche Funktionen wie Denken, Fühlen, Bewegungen oder die Atmung vollkommen erloschen“, betont Kees-Kautzky, „der Patient gilt juristisch als tot.“
Die Feststellung des Hirntodes erfolge erst nach sorgfältigen Untersuchungen von zwei erfahrenen und unabhängigen Fachärzten, wovon einer ein Neurologe sein muss, sagt Kees-Kautzky. Im Anschluss werde durch weitere Überprüfungen und Nachweise sichergestellt, dass der festgestellte Hirnfunktionsverlust auch zweifelsfrei unumkehrbar ist. Die Doktorin: „Der Hirntod ist ein relativ seltenes Phänomen, daher kommen nur wenige Verstorbene überhaupt für eine Organspende infrage.“
Organspendeausweis hilft auch Angehörigen
Umso wichtiger jedoch ist es laut Kees-Kautzky, einen Organspendeausweis etwa im Geldbeutel mitzuführen. „Die Organe müssen für eine Spende weiterhin durchblutet und versorgt werden - wir können das Herz-Kreislauf-System durch künstliche Beatmung und intensivmedizinische Behandlung aber nur in einem kleinen Zeitfenster aufrechterhalten.“
Für Angehörige sei es in dieser Situation äußerst schwierig, eine solch gravierende Entscheidung zu treffen. „Durch den Schock bestehen dort erstmal Fragen und Ängste“, betont die Anästhesistin, die bereits selbst einen Organspendefall im engsten Familienkreis hautnah miterlebt hat. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, man tut nicht nur einem Organempfänger, sondern auch den eigenen Angehörigen etwas Gutes, wenn man sich vorab mit den Themen Organspende und –transplantation auseinandersetzt. Ich kann daher nur raten, darüber zu diskutieren, für sich eine Entscheidung zu treffen, den Entschluss zu dokumentieren - und den Organspendeausweis dann bei sich zu tragen.“
Infokasten
In Deutschland stehen etwa 9.200 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan, dem standen 2021 bundesweit 933 Organspender und –spenderinnen gegenüber. Jährlich sterben mehr als 1000 Patienten, weil nicht rechtzeitig ein passendes Spenderorgan gefunden wurde. Auch wenn rund 70 Prozent der Bevölkerung laut repräsentativer Umfragen einer Organspende positiv gegenüber stehen, besitzen nur knapp 40 Prozent tatsächlich einen Organspendeausweis.
Seit 1. März 2022 dürfen auch Hausärzte zum Thema Organspende beraten. Den kostenlosen Organspendeausweis gibt es bei vielen Apotheken, Hausärzten, den Krankenkassen oder direkt auf www.organspende-info.de. Auf der Website kann man sich den Organspendeausweis auch direkt herunterladen und ausdrucken. Der Organspendeausweis wird an keiner offiziellen Stelle registriert oder hinterlegt.
Bei weiteren Fragen steht Frau Dr. Hildegard Kees-Kautzky vom Klinikum Kaufbeuren gerne zur Verfügung: Hildegard.Kees-Kautzky@kliniken-oal-kf.de.